Dass Gebäude mit altem Frittierfett beheizt werden und Angeklagte sich just-in-time ihren Anwalt im Gerichtssaal aussuchen können, gehört auch zu den Besonderheiten der Weltmetropole.
Samstag, 10. Mai 2014, 9 Uhr morgens: Völlig übermüdet von einer über zwölfstündigen Reise durch die Nacht mit Bus und Fähre rollen 48 Auszubildende der Fachsparten Sozialversicherung, Immobilien, Industrie und Versicherung sowie drei Lehrer des SZG dem Bremer Hauptbahnhof entgegen. Sechs Tage Studienfahrt liegen hinter ihnen, vollgepackt mit Eindrücken aus der Weltmetropole London, Eindrücken voller Gegensätze von Moderne bis Tradition, überfüllten Straßen und malerischen Parks, 100.000-£-Bentleys und Wohnunglosen, die ihr Hab und Gut in wenigen Plastiktüten mit sich herumtragen.
Das Spektrum an Aktivitäten in London war breit gestreut. Natürlich gab es die obligatorische Stadtrundfahrt mit dem Bus. Und Dank der hervorragenden Ortskenntnis des organisierenden Lehrers Eckhard Friedrichs konnten zusätzlich zahlreiche Flecken Londons zu Fuß und per „Tube“, der Londoner U-Bahn, erforscht werden. An dieser Stelle ein dickes Lob an die Gruppe: mit gut 50 Personen durch London zu ziehen, klappte stets problemlos, pünktlich und ohne personelle Verluste – keine Selbstverständlichkeit!
Aber auch die ökonomischen Aspekte Londons wurden beleuchtet: ein geführter Stadtspaziergang mit dem Themenschwerpunkt „nachhaltige Architektur“ zeigte, dass Ökonomie und Ökologie beim Bau neuer Hochhäuser oft Hand in Hand gehen: Regenwasser für die Toilettenspülung aufzufangen, kennt man hier auch. Dass Gebäude aber ihre Heizungsanlage mit Hilfe von altem Frittierfett betreiben (und davon gibt es in Londons City reichlich!) oder dass man versucht hat, auf einem Hochhaus ein eigenes Windkraftwerk zur Stromversorgung des Gebäudes zu errichten, beeindruckt dann doch.
„Money is honey“, wusste zudem auch Shakespeare, wie auf einer Skakespeare Lecture im Nachbau des Globe Theatre zu erfahren war. Seine Sprache war schon aus diesem Grund damals einfacher zu verstehen (gut verständliche Sprache = viele Theaterbesucher = klingelnde Theaterkassen!), als man mit unserer heutigen z. T. überintellektualisierten Herabgehensweise an seine Werke denkt. Dies durften drei der Auszubildenden in einem kleinen Rollenspiel praktisch unter Beweis stellen und ernteten dafür viel Applaus von der Gesamtgruppe.
Applaus verdient hat auch das Angebot des „European College of Business and Management“, welches von der Hälfte der Auszubildenden besucht wurde: einen Bachelor-Abschluss in zwei Jahren Fernstudium zu erzielen, dies auch ohne Abitur, dafür aber unter Anrechnung von 100 Creditpoints für die abgeschlossene Berufsausbildung könnte für den einen oder die andere eine attraktive Weiterbildungsmaßnahme für die Zeit nach der Ausbildung darstellen.
Der Berufseinstieg für Anwälte in England sowie Grundzüge und Skurilitäten des britischen Rechtssystems wurden bei einem geführten Stadspaziergang mit dem Titel „Legal and illegal London“ beleuchtet. Zum Schmunzeln war, dass eine Parallele zwischen einem Londoner Anwalt und einem Londoner Taxi besteht. So setzen sich junge, frischgebackene Anwälte häufig unaufgefordert in Gerichtsverhandlungen, um just-in-time ihre Dienstleistung anzubieten. Der Angeklagte kann dann spontan aus den verschiedenen anwesenden Anwälten einen zur Verteidigung auswählen. Es sei denn, ein Anwalt hat kein Interesse an dem Fall und nimmt seine Perücke ab um dies zu signalisieren – ganz so, als wenn bei einem Taxi die gelbe Lampe auf dem Dach ausgeschaltet wird.
Stefanie Pokroppa