Auch dieses Jahr besuchte der DDR-Zeitzeuge Peter Drauschke den Bildungsgang Sozialversicherungen, um seine spannende Geschichte einer Flucht aus der DDR zu erzählen.
Der gebürtige Hamburger Peter Drauschke verließ mit 18 Jahren aus politischer Überzeugung Westdeutschland und siedelte in die DDR über. Später musste er feststellen, dass seine Hoffnung auf ein besseres Leben im Osten nicht wahr werden konnte. Als DDR-Zeitzeuge hielt er bisher schon um die 380 Vorträge. Auch wir am Schulzentrum Grenzstraße durften am 20. April 2018 in den Genuss einer seiner Präsentation kommen.
Während der letzten Tage des 2. Weltkrieges 1945 wurde Peter Drauschke geboren. Wenige Monate später zerstörte eine Bombe das Elternhaus schwer, während er auf dem Arm seiner Mutter war. Sie überlebten glücklicherweise. Am 8. Mai 1945 wurden in einer Ansprache über alle Rundfunksender die Kapitulation und das Ende des Krieges bekannt gegeben.
Schon als Jugendlicher konnte er sich sehr für politische und gesellschaftliche Themen begeistern. Er bewunderte seinen Vater, den Seefahrer und Geschichtenerzähler. Peter entwickelte einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, vor allem sein Interesse für den Kommunismus wurde immer stärker. So kam es dazu, dass er zwar das Gymnasium besuchte, jedoch sein Abitur nicht zu Ende brachte und die Schule verlies. Der Kommunismus füllte einen immer größeren Teil seines Lebens aus. So sagte er: „Meine potentielle Freundin suche ich mir nicht nach dem Aussehen, sondern nach ihrer politischen Einstellung aus. Sie sollte kommunistisch sein und mir zustimmen“.
Nachdem die Berliner Mauer 1961 erbaut wurde, wagte er mit einem Freund aus Kindertagen die Übersiedlung in die DDR. Jedoch scheitere der erste Umzugsversuch mit der Bahn. Wenige Wochen später versuchten sie es erneut, dieses Mal mit dem Flugzeug, und es gelang: Im Osten wurden die beiden Neubürger mit einem langen Verhör begrüßt. In Rostock angekommen arbeitete Peter Drauschke in den folgenden Jahren als FDJ-Sekretär (Freie Deutsche Jugend) im Warenhaus Rostock, bereits kurze Zeit später wurde er Bezirksleiter.
Für Peter Drauschke war die Ideologie des Kommunismus eine Art Lebensaufgabe, bis er den Satz: „Das Kriterium der Wahrheit ist die Praxis“ aus dem Buch „Das Kapital“ von Karl Marx las. Dieser Satz ließ ihn an seiner bisherigen Denkweise zweifeln. Drauschke sagte: „Man kann nicht als Kommunist ins Bett gehen und am nächsten Morgen als Antikommunist aufstehen, das ist ein ganz langer Prozess“.
Er fing an das Gelesene und Gesprochene nicht mehr länger hinzunehmen, sondern seine Umgebung genauer zu beobachten und zu hinterfragen. Erst jetzt bemerkte er, wie schlecht die Lebensbedingungen waren. Das Leben in der DDR entsprach nicht seinen Vorstellungen Die Missstände wurden im Alltag immer deutlicher. Der tägliche Bedarf an Lebensmitteln war sehr eingeschränkt. Die Nachrichtensprecher der DDR erzählten in der Theorie etwas ganz anderes, als es sich in der Realität bei der Bevölkerung wirklich abspielte.
1968 entwickelte Drauschke aufgrund seiner vielen Beobachtungen eine Antihaltung gegen den Kommunismus. Seine Zweifel spitzen sich so weit zu, dass er den Entschluss fasste, die DDR verlassen zu wollen. Gemeinsam mit seiner Schwester Ruth, deren Ehemann Wilfried und seinem besten Freund Erwin wollte er aus der DDR flüchten.
Sie hatten sich zuvor mehrmals in einem abgelegenen Waldstück getroffen, um die Flucht im Geheimen planen zu können. Drauschke sagte: „Es war gar nicht so einfach, es gab so viele Kriterien zu berücksichtigen“. Die Planung zog sich über zwei Jahre. Sie wollten über Bulgarien zurück in den Westen fliehen, da in diesem Land laut ihren Kenntnissen nur der Personalausweis vorgezeigt werden musste, um hineingelassen zu werden. Sie präparierten Kleidungen und bekamen von der Hamburger Polizei gefälschte Personalausweise.
Die Ausreise bis zum Flughafen in Bulgarien verlief reibungslos. Doch kurz nach der Ankunft in Bulgarien wurden sie von Polizisten angesprochen, die fragten, wo ihre „Karta Statistika“ sei, die bei der Ausreise hätte abgegeben werden müssen. Der Ausweis alleine reichte also nicht aus, diese Zusatzdokumente fehlten und ließen die Flucht letztendlich scheitern. Der Betrug flog auf. Man brachte Erwin und Peter ins bulgarische Gefängnis, wo sehr schlechte Lebensbedingungen herrschten. Sie bekamen wenig zu essen, wenn überhaupt nur trockenes Brot.
Schließlich wurden sie mit einem Flugzeug in die DDR zurückgebracht. Auch während des Fluges kettete man die beiden an, damit sie den Piloten nicht überwältigen konnten. Danach wurden sie im Gefängnis Hohenschönhausen, in Berlin, in Einzelzellen eingesperrt. Sie mussten 16 Stunden Vernehmungen auf einem Stuhl ohne Lehne aushalten, es gab etliche Personen, die dabei abwechselnd auf sie einredeten und sie vernommen haben. Kurze Zeit später brachte man sie in das Gefängnis Rostock. Auch in dem Gefängnis Rostock waren die Lebensbedingungen sehr schlecht. Droschke erzählte von der Schlafsituation: „Man durfte nur ganz gerade auf dem Rücken liegen und die Hände hatten auf der Decke zu liegen, mit einem starren Blick an die Decke.“ Er hatte mit Schlafmangel zu kämpfen, denn jedes Mal, wenn er seine Position im Schlaf wechselte, kam ein Wärter und weckte ihn auf, damit Drauschke sich wieder in die angemessene Schlafposition begab. Er fühlte sich in seiner Zelle wie lebendig begraben.
Peter Drauschke sollte wegen Spionage und Sammlung von Nachrichten verurteilt werden. Aufgrund einer Amnestie wurde er jedoch frühzeitig entlassen und durfte 1973 zu seiner Familie nach Hamburg aus der DDR ausreisen. Später erfuhr er jedoch aus seiner Stasi-Akte, dass geplant war, ihn umzubringen.
Schülerinnen der Klasse SozVers 16-2