Schulzentrum Grenzstraße Bremen

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Aus dem Jahrbuch 2010/2011: Finanzmarkt regulieren?

Bank- und Versicherungsazubis diskutierten mit Dr. Carsten Sieling (MdB).

Am 21. September 2010 – zwei Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise durch die Lehman-Pleite – stellte sich der Bremer Bundestagsabgeordnete Carsten Sieling den Fragen der etwa 80 Bank- und Versicherungsazubis am Schulzentrum Grenzstraße. Zustandegekommen war die Veranstaltung nach einem Besuch des Bundestages in Berlin im Mai 2010, bei dem bereits einige der Auszubildenden die Gelegenheit hatten mit Carsten Sieling über das Thema zu diskutieren. Als Mitglied des Finanzausschusses des Bundestages ist Sieling ein ausgewiesener Experte zu den aktuellen Fragen und anstehenden Entscheidungen der Finanzmarktregulierung. Dabei sah er in seinem Eingangsstatement drei notwendige Aufgaben: erstens müsse der Anlegerschutz verbessert werden, die Bonizahlungen müssen beschränkt werden, zweitens müssen die Finanzgeschäfte auf das für die Realwirtschaft notwendige Maß schrumpfen, drittens ist eine Finanzmarktaufsicht und -regulierung sowie die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer notwendig. Die Zahlung der Boni war dann auch der erste Punkt, der die Gemüter der angehenden Banker und Versicherungskaufleute erhitzte. Sollten sie jetzt keine Provisionen mehr für abzuschließende Geschäfte erhalten? Schließlich sei dies eine nicht unwesentliche Einkommensquelle im Bank- und Versicherungsbereich. Sieling sieht das Problem im Konflikt zwischen Kundenberatung und Zielvorgaben der Bank, bestimmte Finanzprodukte an den Mann zu bringen, für die sie dann entsprechende Prämien kassieren. Dann sei eine auf den Kunden zugeschnittene Beratung nicht mehr möglich. Daher fordert er mehr Transparenz und Unabhängigkeit, die z.B. durch unabhängige Finanzberater ermöglicht würden. Die Bonizahlungen, wie sie gerade aus der vom Staat geretteten HRE in Höhe von 25 Mio Euro bekanntgeworden sind, sind unmoralisch und instinktlos. Zumal die Bank gerade neue Garantien in Höhe von 40 Mrd. erhalten hatte. Die Befürchtung eines Bankazubis, dass sich vielleicht keine Manager mehr für den Job finden lassen, wenn die Bonizahlungen beschränkt würden, vermochte Carsten Sieling nicht zu teilen. Ob es denn Sinn mache, den Finanzmarkt in Deutschland zu regulieren, wenn das Kapital weltweit agieren könne und dann woanders hinginge, fragte ein Bankazubi. Die Regulierung der Finanzmärkte muss international angestrebt werden, was allerdings angesichts der Haltung einiger Länder wie Kanada und Australien schwierig ist. Sie stehen auf dem Standpunkt, wir hatten keine Finanzkrise und wollen nichts regeln. Die USA dagegen sind sehr scharf vorgegangen und haben jetzt ein Gesetz verabschiedet zur Finanzmarktregulierung, dass über 2400 Seiten umfasst. Obama hat jüngst verkündet: We want our money back. Und im US-Kongress werden die Bankmanager harten Befragungen durch die Abgeordneten in den Untersuchungsausschüsssen unterzogen. Es sollte aber zumindest eine gemeinsame europäische Regelung geben, was auch möglich erscheint, selbst wenn die Briten nicht mitmachen. Die Finanzmarkttransaktionssteuer könne doch eher zu noch größeren Volumen bei den Finanzgeschäften führen, befürchtet ein Schüler als Replik auf den Vorschlag einer Finanzmarkttransaktionssteuer in Höhe von 0,02-0,05 Euro. Dies würde laut Sieling ca. 60 Mrd. Euro in die Steuerkassen des Bundes spülen. Eine nicht zu unterschätzende Summe, bei den gegenwärtigen Haushaltsproblemen. Die Zeit verging mal wieder viel zu schnell, manche Frage musste da leider unbeantwortet bleiben. Dennoch war diese Expertenbefragung aus Sicht der Azubis eine lohnende Ergänzung zu ihrem Unterricht. Solche Diskussionen zu aktuellen Problemen sollten noch mehr stattfinden.

Friedrich Greve

Service