Das Coaching für Schülerinnen und Schüler der Praktikumsklasse reicht von der Selbstreflexion bis zur Einübung von Benimmregeln.
Mit Beginn des laufenden Schuljahres haben meine Kollegin Monika Karpa (Fachleiterin am LIS) und ich ein erstes Konzept erstellt, wie wir die jeweils zum 1. Februar startende halbjährliche Praktikumsklasse im Rahmen der dafür vorgesehenen Ressourcen optimal betreuen können.
In den bisherigen Durchläufen war ich als Klassenlehrer gleichzeitig für den Großteil des Unterrichts und für die Praktikumsbetreuung zuständig, weiterhin aber auch der Ansprechpartner bei allen sonstigen persönlichen oder lebenspraktischen Problemen. Diese beiden Rollen gleichzeitig auszufüllen ist grundsätzlich nicht ideal. Als Lehrer muss ich Leistung bewerten und Noten vergeben, als sozialpädagogisch orientierter Coach begleite ich stattdessen Entwicklungsprozesse jenseits von notenmäßigen Zuschreibungen. Auch der zeitliche Umfang, den ich für den einzelnen Schüler aufbringen konnte, war durch die erzwungene Doppelfunktion natürlich sehr begrenzt.
Nun wurde im letzten Schuljahr die Idee geboren, die Trennung von Unterricht und Praktikums- bzw. Lebensbegleitung wieder herzustellen. Somit bin ich nun wieder für den Unterricht eingesetzt, während meine Kollegin sich als Coach um alle außerunterrichtlichen Belange kümmert; einzelne Überschneidungen sind dabei gegeben und gewollt.
Jeder Schüler wird während des Unterrichts von Zeit zu Zeit vom Coach zu einem Einzelgespräch eingeladen und zu seiner aktuellen persönlichen Lebenslage befragt, die dann quasi in Form eines Entwicklungsberichts dokumentiert wird. Ziel ist es, bei den Schülern schon vorhandene wie noch zu weckende Ressourcen zu ermitteln, damit die vorgesehenen drei Praktika erfolgreich durchgeführt werden können und idealerweise ein Ausbildungsplatz dabei herausspringt oder zumindest eine tragfähige Idee der beruflichen Zukunft. Mindestens einmal pro Praktikum wird der Schüler an seinem Arbeitsplatz besucht und eine Rücksprache mit dem Praktikumsbetreuer gesucht.
Dieses „systemische Coaching“ wurde gleich zu Beginn des Schuljahres flankiert von einer gemeinsamen Tanzveranstaltung bei Driton Dance in Oslebshausen. Die Schüler lernten dort von einem erfahrenen und sehr coolen Tanzlehrer Hip-Hop-Tänze und waren gehalten, in Kleingruppen ihre Performance auszuarbeiten und vorzustellen. Eine gute Übung in Sachen Selbstverantwortung, Gruppenorganisation und „An-Seine-Leistungsgrenze-Gehen“. Darüber hinaus waren die Schüler gezwungen, beim Erlernen des Walzers Höflichkeits- und Benimmregeln einzuhalten und ihrem wechselnden Gegenüber Respekt entgegenzubringen, gerade auch dann, wenn einem der Tanzpartner nicht so angenehm war.
Insgesamt war dieser „andere“ Unterricht für alle eine tolle Erfahrung und hat nach Schüleraussagen den Klassenzusammenhalt gestärkt und die anschließende Kontaktaufnahme zwischen den Schülern erleichtert; dies ist insofern wichtig, da die Schüler sich aufgrund der Konzeption der Praktikumsklasse nur einmal pro Woche in der Schule sehen.
Wir befinden uns in einem umfassenden Coaching-Test-Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist und frühestens zum Schuljahresende sinnvoll evaluiert werden kann. Ein mögliches Zukunftsszenario ist es, die Erfahrungen aus diesem Schuljahr auf andere Klassen auszudehnen, im Sinne einer zielgerichteteren Betreuung von Schülern aus unterschiedlichen Bildungsgängen, in denen die Bedeutung von Praktika in der Folgezeit ja voraussichtlich zunehmen wird.
Ingo Gerlach, Vertrauenslehrer am Schulzentrum Grenzstraße