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Aus dem Jahrbuch 2013/2014: Schülerfirma der ZHH – Wenn Pausenhallen zu Waffelbuden werden

Der Rechnungswesenunterricht gilt vielen als schwerverdaulich. Mit der Produktion von Waffeln soll dieses Thema bekömmlicher werden.

„Und so wird die Waffel zum Buchungssatz!“

„Die Umsatzrentabilität liegt bei 65 Prozent und übertrifft damit alle Erwartungen!“ freut sich die Geschäftsleitung der Z11A-Waffel GbR sowie die der McTasty Waffel GbR. „Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte eines jeden Euros, der in die Firma fließt, am Ende als Gewinn übrig bleibt.“

Bei beiden Unternehmen handelt es sich um Schülerfirmen, die von den Unterstufen der Höheren Handelsschule gegründet und mit Leben gefüllt wurden. Primär stand dabei das Ziel im Vordergrund, den Rechnungswesenunterricht praxisnah zu gestalten und die unternehmerischen Prozesse für Schülerinnen und Schüler transparent zu gestalten. So erfahren sie beispielsweise, dass sich hinter dem abstrakt klingenden Geschäftsfall ‚Barverkauf von fertigen Erzeugnissen’ schlicht der Verkauf von selbst produzierten Waffeln verbirgt. Insgesamt können so betriebliche Vorgänge ‚auf Waffel’ übersetzt und damit die Unterrichtsinhalte verständlich und zudem lebensnah dargeboten werden.

Es ist nicht neu, dass durch den Einsatz von Modelfirmen etc. und durch verschiedene handlungsorientierte Ansätze (z. B. Instrumentelles Rechnungswesen) der Zugang zu den Inhalten des Rechnungswesens erleichtert werden soll; diesem Fach eilt der Ruf des Schwerverständlichen voraus. So begegnen Schülerinnen und Schüler den Grundlagen der Buchführung verständlicherweise mit größtmöglicher Vorsicht und, zum Leidwesen der Fachlehrerinnen und -lehrer, häufig mit angestrengter Abneigung. Die Idee, eine Waffelverkaufsaktion als Einstieg in den Rechnungswesenunterricht durchzuführen, beruht auf dem Wunsch bzw. der Motivation, Schülerinnen und Schüler auf möglichst praxisnahe Weise an diese Thematik heranzuführen.

Der eigentliche Waffelverkauf zu Beginn des Schuljahres stellte eine logistische Herausforderung dar. So mussten insgesamt über 50 Schülerinnen und Schüler für zwei Verkaufstage nicht nur Teig produzieren und Waffeln backen, sondern auch einen Firmennamen überlegen, Werbeflyer und Poster entwerfen, Waffelrezepte recherchieren, Einkaufslisten erstellen, Preise kalkulieren und Standorte für den Verkauf festlegen. Mit erfolgreicher Vorbereitung wurden dann insgesamt 125 Waffeln verkauft, 97,00 Euro Umsatz generiert und 62,71 Euro Gewinn erzielt. Bezüglich der Gewinnverwendung herrscht noch keine Einigkeit: Die Einen wollen den Gewinn für einen zweiten Waffelverkauf reinvestieren, während die Anderen diesen lieber für ein Döner-Essen (idealerweise während des Unterrichts) ausgeben würden.

Welchen Nutzen kann eine solche Waffelaktion nun für den alltäglichen Rechnungswesenunterricht bedeuten? Die Vorteile liegen nach eigenen Beobachtungen sowohl in der Beförderung fachlicher als auch überfachlicher Kompetenzen: Die Schülerinnen und Schüler identifizieren sich mit ihrem Waffelunternehmen, was die Teamfindung der Klasse unterstützt und so maßgeblich zu einer positiven Atmosphäre im Klassenzimmer beiträgt. Durch das selbstständige Handeln während der Waffelaktion mussten sich die Lernenden aufeinander verlassen können, sich im Team unterstützen und sich gegenseitig zuarbeiten. Im Anschluss führten beide Schülerfirmen auf Basis der Waffelverkaufsaktion eine Inventur durch, woraus die Bilanz resultierte, die im Klassenzimmer nunmehr ihren festen Platz gefunden hat. Die haptische Erfahrung, selbst die Rohstoffe zunächst zum „unfertigen Produkt“ gemischt und durch das Backen im Waffeleisen zum „fertigen Produkt“ produziert zu haben, lässt die Schülerinnen und Schüler jede Bilanzposition direkt mit dem Waffelverkauf verknüpfen und so mit Leben füllen. Die Nutzung dieser Erfahrungen trägt zur Motivation der Lernenden und zur aktiven Teilnahme am Unterricht bei. So hat sich die Formulierung eigener Geschäftsfälle zu einer beliebten Aufgabe entwickelt, da sie hierbei kreativ die Erfahrungen der Waffelverkaufsaktion einbringen können. Zudem ist es ihnen schneller möglich, praktische Beispiele für abstrakte Buchungsvorgänge zu finden. Der eingangs genannte Geschäftsfall „Barverkauf von fertigen Erzeugnissen“ ist hierfür ein gutes Beispiel. Aber auch der Kauf einer Waffel „auf Pump“ führte dazu, dass den Schülerinnen und Schülern das Konto Forderungen näher gebracht werden konnte und dessen Bilanzposition auf der Aktivseite sofort verständlich war. Selbstverständlich wurde von der Geschäftsleitung der Z11A-Waffel GbR und der McTasty Waffel GbR sorgsam darauf geachtet, dass diese Forderung nicht uneinbringlich wurde.

Obwohl der traditionelle Rechnungswesenunterricht zu genau denselben Lernergebnissen führt, sehen wir durch das vorliegende Unterrichtskonzept die Chance, ein lang­fristiges Interesse am Rechnungswesen bei den Schülerinnen und Schülern zu wecken und ihre Motivation, sich praktisch mit theoretischen Inhalten auseinanderzusetzen, zu stärken.

Die Waffelverkaufsaktion folgt der Vision, Rechnungswesen trotz seines vorauseilenden Rufs zum Lieblingsfach der Schülerinnen und Schüler zu machen. Aktuellen Beobachtungen zufolge wird diese Vision Stück für Stück zur Realität, wodurch eine Weiterführung dieses Unterrichtskonzepts unabdingbar scheint. Insgesamt ist hierbei sowohl eine horizontale als auch eine vertikale Ausdehnung denkbar. Horizontal meint dabei die Ausweitung auf andere Unterrichtsfächer. So könnten Unternehmenspräsentationen und Kalkulationen im Fach Informationsverarbeitung, handelsrechtliche und betriebswirtschaftliche Aspekte im Fach BWL und die Ausübung von realen Handelsbeziehungen im Fach Bürowirtschaft implementiert werden. Die vertikale Vertiefung meint dagegen die Ausweitung auf weitere Klassen, Jahrgangsstufen und Ausbildungsrichtungen. Denn nur wenn das ‚Waffel-Projekt’ von allen Schülerinnen und Schülern sowie von allen Lehrerinnen und Lehrern für positiv befunden wird, ist eine konsequente Umsetzung denkbar und wünschenswert. Und vielleicht wird dann eines Tages der Traum wahr, mit den Schülerinnen und Schülern unserer Schule einen Waffelstand am Bremer Freimarkt zu realisieren. Never say never!

Monika Duy und Felix Hühnlein waren im Schuljahr 2013/14 Referendare und initiierten das „Waffel-Projekt“

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