Knapp zwei Monate vor der Bürgerschaftswahl stellten sich die Spitzenkandidaten aus sieben Parteien den kritischen Fragen aus der Schülerschaft. Austausch zwischen Schülern und Politikern soll zukünftig auch außerhalb des Wahlkampfes stattfinden.
In Bremen und Europa stehen im Mai 2019 wichtige Entscheidungen an: Die Wahl zur 20. Bremischen Bürgerschaft der Freien Hansestadt Bremen findet am 26. Mai 2019 parallel zur Europawahl statt. Gleichzeitig werden die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung und die Beiräte der Stadt Bremen neu gewählt.
In alter Tradition lud das Schulzentrum Grenzstraße am 18. März 2019 zur Podiumsdiskussion ein. Vor dem Hintergrund aktueller Debatten um die Krise der liberalen Demokratie sind unter dem Motto „Meinung, Vielfalt, Demokratie“ insbesondere solche Podiumsdiskussion ein wichtiges Beispiel dafür wie Demokratie funktioniert. Bemerkenswert war, dass wirklich alle Spitzenkandidaten Zeit gefunden hatten und persönlich anwesend waren. Zu nennen sind hier: Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), Carsten Meyer-Heder (CDU), Maike Schaefer (Bündnis 90/Die Grünen), Lencke Steiner (FDP), Kristina Vogt (Die Linke), Frank Magnitz (AFD) und Hinrich Lührssen (Bürger in Wut). Die Lehrkraft Jens Bergmann vom Fachbereich Politik begrüßte die Spitzenkandidaten und die anwesenden Schüler und forderte die Schüler sogleich dazu auf, ihre „Fragen an die zukünftigen Entscheider“ zu richten. Die Moderation der Veranstaltung übernahmen die erfahrenen Schülermoderatoren und Routiniers Annika Michaelis und Ben Lucke, die, wie schon in der Vergangenheit, souverän durch die Diskussion führten und zu Beginn gleich die Spitzenkandidaten darum baten, sich bei allen Antworten doch bitte kurz zu fassen.
Als Diskussions-Schwerpunkte standen die Themen „Bildung, Innere Sicherheit und Infrastruktur“ auf der Agenda.
Der erste Themenblock „Bildung“ wurde mit der Frage aus dem Publikum eingeleitet, warum Bremen so wenig Geld für berufliche Bildung ausgebe. Schon mit dieser ersten Eröffnungsfrage wurde die Diskussion sehr kontrovers geführt. Während der Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) antwortete, dass Bremen zunächst seine Finanzen in Ordnung bringen musste, nun aber das Bildungsetat von 800 Mio. Euro auf 1 Mrd. Euro erhöht werde und sogar ein Neubau einer Berufsschule anstehe, also zukünftig mehr für Bildung allgemein ausgegeben werde, sahen seine Herausforderer dies anders. Kristina Vogt (Die Linke) wies darauf hin, dass der Etat vor dem Hintergrund der Datenlage zu sehen sei und daher Bremen weniger ausgebe und sich daher die Schieflage nicht verändere. Carsten Meyer-Heder (CDU) rief dazu auf vielmehr die berufliche Ausbildung in den Fokus zu stellen. Hierbei sollten die Oberschulen in Richtung Duale Ausbildung arbeiten und die Gymnasien mit dem Abitur auf das Studium vorbereiten. Zudem sollen Kooperationen mit der Wirtschaft gesucht werden. Lencke Steiner (FDP) entgegnete, dass Bremen bei den Ausgaben für Bildung immer noch Schlusslicht ist und hier viel zu wenig passiert sei. Der Sanierungsstau müsse angegangen werden und die digitale Infrastruktur ausgebaut werden. Maike Schaefer (Bündnis 90 / Die Grünen) bestätigt, dass sich manche Berufsschule teilweise in einem schlechten Zustand befinde, aber betont, dass man auf dem richtigen Weg sei, was der Neubau des SZ Blumenthal zeige und der Digitalpakt gerade erst beschlossen worden sei. Hier schloss sich die Frage an, wie nach der Einmalzahlung durch den Digitalpakt die Wartung finanziert werden solle. Carsten Sieling (SPD) erklärte hierzu, dass man mit Landesmitteln i. H. v. 10 Mio. Euro unterstützen werde, wenn erstmal die Zahlungen aus dem Digitalpakt geflossen seien. Zudem seien die Schulen aufgefordert worden, ihre konkreten Bedarfe zu formulieren und eine Digitalisierungsstrategie zu entwickeln. Alle Schulen verfügten darüber hinaus schon über einen 100 MBIT Anschluss. Während Carsten Meyer-Heder (CDU) darauf hinwies, dass der Anschluss zwar oftmals vorhanden sei, klärte Kristina Vogt (Die Linke) auf, dass zwar bereits alle allgemeinbildenden Schulen über solch einen 100 MBIT Anschluss verfügten, die beruflichen Schulen aber noch nicht alle solch einen Anschluss hätten.
Der zweite Themenblock „Innere Sicherheit“ wurde mit der Frage nach der erforderlichen Anzahl von Polizisten im Land Bremen und danach, wieviel Polizisten ausgebildet werden sollten. Hier herrschte zunächst Einigkeit dahingehend, dass mehr Polizisten ausgebildet werden müssen. Der Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) führte aus, dass man die Anzahl von 2900 Polizisten anstrebe, die aber erst ausgebildet werden müssten. Auf 200 Ausbildungsplätze in Bremen kämen 1200 Bewerbungen. Kristina Vogt (Die Linke) wies darauf hin, dass in der Vergangenheit zu wenig Polizisten ausgebildet worden seien. Es müsse angesichts von 300 000 unbezahlten Überstunden pro Jahr und nur 200 möglichen Einstellungen pro Jahr aber auch anders Abhilfe geschaffen werden und man solle die Einstellungsvoraussetzungen prüfen. In diesem Zusammenhang sprach Lencke Steiner (FDP) sich für eine Abgeltung der Überstunden und auch für eine bessere Ausstattung der Polizei aus und forderte ebenfalls die bisherigen Einstellungsvoraussetzungen zu überdenken. Für Carsten Meyer-Heder (CDU) hingegen sei es wichtig, dass die Verfahrensdauer der Justiz sich verkürzen müsse, damit die Polizisten effektiv in ihrer täglichen Arbeit unterstützt werden können. Hinrich Lührssen (Bürger in Wut) forderte sogar die Einstellung von 50 zusätzlichen Richtern bzw. Staatsanwälten.
Der Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch (Neuseeland) am 15. März 2019 hat die Schülerschaft auch stark bewegt, so dass die Spitzenkandidaten nach ihrer Meinung zu dem Vorfall in Neuseeland befragt wurden. „Unvorstellbar“ sei dieser Terrorakt, so Carsten Meyer-Heder (CDU). In Bremen sei leider das neue Polizeigesetz nicht verabschiedet worden, mit dessen Hilfe zukünftig Gefahren von links wie von rechts beobachtet werden könnten. Maike Schaefer (Bündnis 90/Die Grünen) wies darauf hin, dass solch ein Vorfall nicht passieren dürfe. In Deutschland habe man aber nicht die gleichen Waffengesetze. „Es kann keine Entschuldigung für solch eine Tat geben“, so Frank Magnitz (AFD). Kristina Vogt (Die Linke) betonte, dass man einer antimuslimischen Stimmung nicht durch Sicherheitspolitik entgegnen könne, da es einzig auf die Haltung der Menschen ankomme.
Der letzte Themenblock „Infrastruktur“ wurde durch die Frage eines Schülers grundlegender Art eingeleitet, der nämlich wissen wollte, warum sich die Politiker nur alle vier Jahre anlässlich der anstehenden Wahlen in der Schule zeigen und der Austausch nicht öfter stattfindet. Diese Frage wurde von allen Spitzenkandidaten begrüßt. Man war sich an diesem Punkt einig, dass man hierfür gerne zur Verfügung stehe.
Dr. Tom Christian Ohse