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Eine Reise, die nie stattfand: Imaginäres Reisetagebuch 2020

Diese Reise hat nie stattgefunden, sie ist einem heimtückischen Virus zum Opfer gefallen. Obwohl – wenn man die Tagebucheinträge der SV 18-2 liest, ist man sich nicht mehr so sicher. Vielleicht hat sie genauso stattgefunden wie beschrieben, mit allen Begebenheiten, Details, Erlebnissen und Anekdoten. Doch, sicher, genauso war es, wir können uns gar nicht irren, die Reise fand statt – in unseren Köpfen!

imaginaeres reisetagebuch 480x480Dienstag vormittags:

Am Dienstag, den 21.04.2020, fuhren wir die Auszubildenden der Klasse SV 18-2 mit unserer Parallelklasse der SV 18-1 nach Berlin. Wir trafen uns dafür um 07.55 am vereinbarten Treffpunkt in Bremen in der Bahnhofshalle vor Le Crobag. Von Weitem sah ich unsere Truppe, ich hörte lautes Lachen und ich spürte die gute Stimmung in der Luft. Endlich nach langen Warten ging es los nach Berlin. Alle Schüler waren rechtzeitig da und so machten wir uns gemeinsam auf den Weg zum Gleis 10 und warteten dort auf den IC 2314. Dieser ist bereits mitten in der Nacht um 04.55 in Köln losgefahren und hatte daher eine leichte Verspätung von 12 Minuten. Aber das war auch gut so, denn in der Wartezeit fiel einer Mitschülerin auf, dass sie Ihren Koffer im vorherigen Zug vergessen hatte. Schnell eilte sie zum anderen Gleis und ein Glück der Zug war noch nicht abgefahren und sie musste die Reise nach Berlin nicht ohne Gepäck antreten. Da waren wir alle sehr erleichtert. Als unser Zug endlich an unserem Gleis ankam, stiegen wir alle schnell ein und suchten unsere Plätze. Diese fanden wir nicht direkt, da wir beim Einsteigen in den Zug nicht auf die richtige Wagenreihe geachtet haben. Als wir sie dann nach kurzer Zeit gefunden hatten, konnten wir uns endlich entspannen und die Fahrt genießen. Ich spielte mit ein paar Mitschülern UNO, während andere Schüler die Fahrt für ein kleines Nickerchen nutzten oder mit ihren Kopfhörern Musik hörten. Wir hörten nur kurz auf, als der Schaffner kam und unsere Zugtickets kontrollieren wollte. Bei ein paar Klassenkameraden kam Hunger auf und sie macht sich auf den Weg zum Bordbistro. Dort teilte man ihnen mit, dass der Zug leider keine Lebensmittel an Bord hatte. Die anderen Schüler waren so schlau und haben sich bereits im Vorfeld Proviant mitgenommen oder sie haben einfach vorher zu Hause gefrühstückt. Nach einer zweistündigen Fahrt kamen wir in Hamburg an. Dort hatten wir wegen der Verspätung nur einen kurzen Aufenthalt von ca. 10 Minuten. Die hungrigen Schüler wollten trotzdem schnell etwas zu Essen kaufen, aber Herr Deselaers überredete sie, dies nicht zu tun. Somit verließen wir alle zusammen den Zug und liefen direkt zum richtigen Bahnsteig. Wir stiegen problemlos in den nächsten Zug ein und setzten unsere Reise nach Berlin fort. Im ICE machte Frau Harms den Schülern ein paar Ansagen, wie es nach der Ankunft in Berlin weitergehen sollte, während sie die Fahrscheine für den öffentlichen Nahverkehr für Berlin verteilte. Die Tickets galten immer für eine Fünfergruppe und es wurde aufgeregt überlegt, wer sich mit wem ein Ticket teilen möchte. Dadurch waren wir so abgelenkt, dass wir erst gar nicht auf die Ansagen im Zug achteten. Die Klimaanlage war ausgefallen und somit mussten wir alle im Bahnhof Boizenburg aussteigen und auf den nächsten Zug warten. Das war natürlich ärgerlich, da unser Tag gut durchgeplant war. Aber wir machten das Beste daraus und genossen draußen auf dem Bahnsteig das gute Wetter. Wir mussten zum Glück gar nicht lange warten, bis der Ersatzzug kam. Hier gab es keine reservierten Plätze und wir stürzten uns in den Zug. Zum Glück hat jeder einen Platz ergattert. Anschließend verlief die Fahrt reibungslos und wir waren froh, als wir endlich um 12.20 in Berlin Hauptbahnhof auf Gleis 1 ankamen. Wir wollten mit dem Bus zum Metropol Hostel fahren. Herr Deselaers kannte sich in Berlin sehr gut aus und fand auf Anhieb die richtige Bushaltestelle. Wir nahmen die M41 Richtung Sonnenallee und genossen die 12-minütige Busfahrt. Wir konnten sogar währenddessen schon einen Blick auf das Brandenburger Tor werfen. Wir verließen den Bus an der Haltestelle Willy Brandt-Haus und liefen das letzte Stück zu Fuß zum Hostel. Im Hostel angekommen durften wir direkt einchecken, da unsere Zimmer schon fertig gereinigt waren. Unsere Zimmer lagen im vierten Stock und es gab keinen Aufzug. Ein Glück hatten wir nicht so viel Gepäck mitgenommen, sodass wir es alle nach oben schafften. Dort machten wir uns frisch und packten unsere Sachen aus. Danach blieb noch genug Zeit für eine kleine Stärkung und wir wollten unbedingt den Klassiker Curry 36 ausprobieren. Also stellten wir uns in die Schlage und realisierten langsam, dass wir wirklich in Berlin sind. Hurra : Das Anstehen hat sich wirklich gelohnt, denn die Currywurst war hervorragend. So liefen wir zurück zum Hostel und bereiten uns gedanklich auf den Ausflug zum Tränenpalast vor.

Johanna Werner

Dienstag nachmittags:

Hallo liebes Tagebuch,

tut mir leid, dass ich mich wieder ein wenig verspätet melde, aber es ist eine Menge passiert und es war ein sehr anstrengender Tag aber auch schöner Tag. Ich habe dir ja schon von der anstrengenden Hinreise berichtet. Nach der Anreise war der Tag allerdings noch nicht beendet. Wir wollten uns mit der ganzen Truppe gegen 14.30 am festgelegten Treffpunkt treffen. Da ich ja leider so tollpatschig bin und meine Kamera im Zimmer verlegt hatte und ich unbedingt viele Fotos von dem Reiseziel, dem Tränenpalast, machen wollte, durfte die ganze Truppe erstmal 10 min. wegen mir warten. Das war mir sehr unangenehm. Als unsere Truppe sich langsam in Gang setzte, und wir trotzdem irgendwie noch pünktlichen der S-Bahn angekommen sind, fingen wir in einer kleinen 4-er Gruppe an, uns über den Namen und die Entstehung des Tränenpalast zu philosophieren. Einer meinte, dass der Tränenpalast eine stillgelegte Diskothek ist. Als dann jemand anderes meinte mal gehört zu haben, dass der Tränenpalast eine Art Ausreisehalle der Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße sein soll und sich dort der Abfertigungsschalter der Grenztruppen befand, entfachte daraufhin eine kleine Diskussion , da sich beide sicher waren, dass ihr Wissensstand der richtige war. Herr Deselaers, unser Politik Lehrer, der in der S-Bahn direkt neben uns saß und die Unterhaltung mit gehört hatte, mischte sich ein und meinte, dass wir alle mehr oder weniger Recht hatten und erklärte uns , dass der Tränenpalast nach dem Mauerfall von 1991-2006 eine Diskothek unter dem Namen Tränenpalast war und es damals tatsächlich ein Kontroll-/ Abfertigungsschalter der Grenztruppen war. Er erklärte uns außerdem, dass der Tränenpalast, Tränenpalast hieß, da die meisten DDR- Bürger keine Reisefreiheit besaßen und sie ihre Besucher aus Westdeutschland „unter Tränen“ verabschieden mussten. Herr Deselaers meinte noch, dass er gerne weiter über die kleinen Details wie Architektur etc. weiter diskutieren wolle, er aber nicht die ganzen spannenden Einzelheiten vor der Führung durch den Tränenpalast vorwegnehmen wolle. Dies haben wir alle natürlich verstanden und haben dann miteinander abgemacht, wo wir ganz schnell nach der Führung etwas essen gehen wollen. Die Auswahl stand zwischen einem ganz gemütlichen italienischen Restaurant, (II Punto) welches nur ein paar Straßen vom Tränenpalast entfernt lag, oder dem Ortsbekanntem „Pergamon Döner“. Da wir alle schon von Freunden und Bekannten sehr positives über den Dönerladen gehört hatten, entschieden wir uns dazu nach dem Besuch im Tränenpalast und da etwas Kleines zu essen rauszuholen. Als wir dann gegen 15.00 am Tränenpalast ankamen, erwartete die Gedenkstättenführerin uns bereits. Sie erzählte uns viele Details, wie z.B. das 1990 nach dem Mauerfall auch der Verbindungsgang entfernt wurde. Sie zeigte uns z.B. auch noch wie die Stempel in den Reisepässen dort aussahen. Am Interessantesten fand ich allerdings, dass das Gebäude eine Stahl-Glas-Konstruktion mit Keramikverkleidungen war, die an internationale Architektur angelehnt war, um die eigentliche Funktion des Gebäudes zu verschleiern. An den Gedanken daran, im eigenen Land eingesperrt zu sein und keine Urlaube in einem anderen Land oder bzw. das Recht zu besitzen dorthin zu gehen wohin man es vermag, bekam ich ein mulmiges Gefühl und war aber im gleichen Moment auch froh, dass wir nicht mehr in so einer Zeit leben und hoffentlich alle so viel aus der Deutschen Geschichte gelernt haben, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Nach der Führung, die uns so gut gefallen hat, haben wir noch ein kleines Andenken von dem Tränenpalast gekauft. Die Führung hat ca. eine Stunde in Anspruch genommen. Auch wenn wir das gar nicht richtig fassen konnten, da die Zeit gefühlt viel schneller vergangen war. Obwohl wir wussten, dass wir heute Abend noch zusammen mit der Gruppe Pizza essen wollten, riskierten wir es und probierten noch den Döner aus dem zuvor genannten Dönerladen aus. Ich bin echt froh das wir dieses Risiko eingegangen sind, denn wir wurden meiner Meinung nach absolut nicht enttäuscht und ich habe dort meinen Lieblings Döner Laden gefunden. Nach dem wir uns wieder auf den Weg in die Jugendherberge gemacht haben und wir darauf gewartet haben, dass es 20 Uhr wird und wir dann bei den 12 Aposteln Pizza essen können, habe ich die Zeit sinnvoll genutzt und den Rest der Klamotten in den Schrank geräumt. Als es dann kurz vor 20 Uhr war, haben wir uns wieder als Truppe getroffen und ich war zum Glück diesmal nicht aufgrund meiner Kamera zu spät. Während wir auf dem Weg zur S-Bahn waren, hatten wir schon Angst, dass wir nichts mehr essen können, da wir ja schon den Döner konsumiert hatten. Als wir dann allerdings in dem Restaurant (12 Apostel) angekommen waren und als wir den Geruch der Pizza riechen konnten, lief uns sofort das Wasser im Mund zusammen und hatten sofort einen riesen Hunger. Wir hatten uns eine große Salami Pizza mit Rucola bestellt und ich kann mit Stolz behaupten, dass ich diese große Pizza komplett aufgegessen habe auch wenn meiner Figur das wahrscheinlich nicht ganz so gefallen hat wie mir. Wir saßen noch ein paar weitere Stunden in dem Restaurant und quatschten noch eine Weile über den heutigen Tag und philosophierten wie schön wohl die anderen Tage noch werden könnten, wenn selbst der erste Tag schon so etwas schönes war. Gegen 23:00 waren wir dann wieder in der Jugendherberge und auch kurz darauf im Bett und waren alle schon gespannt, wie der nächste Tag wohl wird.

Bis bald, liebes Tagebuch, ich melde mich hoffentlich wieder morgen.

Nino Schulz und Olivia Tolle

Mittwoch vormittags:

Liebes Tagebuch, wie die Fußballfans der jeweiligen Mannschaften, die das jährlich im Berliner Olympiastadion ausgetragene Finale des DFB- Pokals erreichen, skandierten wir noch: „Berlin, Berlin wir fahren nach Berlin!“. Heute, ein wunderschöner Tag mit einem unbeschreiblichen Sonnenaufgang, wie er sich sonst nur in Filmen zuträgt, hieß es dann endlich: „Komplette 24- Stunden die unvergleichliche Atmosphäre der Millionenmetropole aufsaugen.“

Bei frühlingshaften Temperaturen ging es pünktlich, wie auch sonst für das deutsche Naturell, um 8 Uhr zur wichtigsten Mahlzeit am Tag: dem Frühstück im Hostel. Neben den erwarteten Aufbackbrötchen in den Varianten Körner und „Normal“ und einer großen Auswahl an Marmelade und Aufschnitt, konnte das Hostel zusätzlich mit Croissants und selbstgemachten Obstsalat punkten. Alle waren freudig gespannt, was sie an diesem Tag erwarten soll und erleben werden.

Nach dem das entspannte Frühstück um 9 Uhr abgeschlossen war, verabredeten wir uns für kurz nach neun, abflugbereit vor dem Hostel um zur ersten Aktivität zu starten. Der Tagesplan sah für uns eine Besichtigung des Bundesgesundheitsministeriums vor. Somit ging es für uns vom Metropol Hostel zuerst nach kurzem Fußmarsch, mit der U-Bahn vom Mehringdamm bis zum Bahnhof Berlin Friedrichsstraße. Nach kurzer Fahrt entschieden wir uns die letzten Meter bei bereits 20 Grad am Morgen zur Friedrichstr. 108 zu Fuß zurückzulegen. Wir überquerten die Spree. Diese Gelegenheit ließen wir uns nicht nehmen um Gruppen-, und Einzelbilder als Erinnerung an diese Reise zu schießen. Auf unseren Weg zum Ministerium hatten wir Des Weiteren die einmalige Möglichkeit zwei wunderschöne Theater Berlins aus nächster Nähe zu beäugen. Zum einen den Admiralspalast und zum anderen, quasi nur ein Steinwurf vom Ministerium entfernt, den Friedrichstadt-Palast. Nach dem gemütlichen Morgenspaziergang, den Herr Deselaers auch nutzte um uns von seinen vielfältigen Erfahrungen, die er in Berlin gemacht hat, zu berichten, trafen wir um 9:30 Uhr am Ministerium ein.

So das war der einfache Teil des Tages. Die Herausforderung bestand im Folgenden möglichst vollständig durch die Sicherheitskontrollen beim Einlass ins Ministerium zu kommen und keinen auf dem Weg zu verlieren. Der Termin war für 10 Uhr angesetzt, was bei normaler Betrachtung unser Gruppenstärke und dem restlichen eher geringen Andrang, eigentlich kein Problem darstellen dürfte.

Doch wir alle wurden eines Besseren belehrt. Die lange Kontrolle war aber, so waren wir uns zumindest alle einig, nicht ausschließlich unsere Schuld. Zwar hatte Sönke, wie immer für seinen Zwischensnack am Vormittag eine Banane dabei, welche fälschlicherweise bei der Durchleuchtung der Sachen als Stichwaffe und somit als Sicherheitsrisiko eingestuft wurde. Aber die meiste Zeit wurde aufgrund eines sehr peniblen und sich wohl an der stark anwachsenden Schlange vor dem Ministerium und den ungeduldigen wartenden Besuchern erfreuenden Sicherheitsmannes, verloren. Vielleicht hatte er aber auch nur einen schlechten Morgen im Gegensatz zu uns. Die ganze Kontrolle wurde fast zur Schikane. Beispielsweise ließ er Julia wegen ihres länglichen Portmonees gesondert kontrollieren, mit der Begründung es könne sich um einen Sprengsatz handeln. Um 10:30 Uhr standen wir, alle leicht genervt durch die Kontrolle, in der Eingangshalle des Ministeriums. Doch unsere Laune wurde schlagartig durch unseren lustigen Guide Herrn Müller, der uns in den nächsten eineinhalb Stunden durch das Ministerium führte und mit spannenden Fakten überraschte, angehoben. Überraschend war zum Beispiel, dass sich ca.700 Bedienstete im Ministerium befinden. Ein Highlight war auch, dass wir uns an den Platz begeben haben, an dem typischerweise Pressestatements von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn abgegeben werden.

Und wie das Schicksal so wollte, war auch während unseres Rundgangs eine Pressekonferenz im Gange. Herr Spahn widmete sich dabei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal. Anschließend an die Konferenz war ein längeres persönliches Gespräch mit Herrn Spahn leider nicht möglich, da er uns erklärt, dass ein weiteres Meeting im Bundestag anstehe. Trotzdem hatten wir die Möglichkeit einmal die Rolle von Herrn Spahn zu übernehmen. Naja zumindest konnten wir uns an das Sprecherpult stellen und uns ablichten lassen.

Um 12 Uhr verabschiedeten wir uns von Herrn Müller und machten uns auf den Weg zur zweiten Tagesaktivität. Es ging zu Fuß zur Mauergedenkstätte in der Bernauer Straße 111. Der 20-minütige Fußmarsch zu den sommerhaften Temperaturen, gab Anlass auf dem Weg an einer Eisdiele Halt zu machen und ein Eis in der Waffel oder im Becher für die verbleibenden Meter als Erfrischung mitzunehmen.

Um 12:30 Uhr standen wir schlussendlich versammelt vor der Gedenkstätte. In Kleingruppen durchliefen wir anschließend die vier Bereiche: Die Mauer und der Todesstreifen, Die Zerstörung der Stadt, Der Bau der Mauer und der Alltag an der Mauer. Diese Besichtigung war für uns alle eine sehr emotionale und tiefgründige Erfahrung. Denn es war für fast alle das erste Mal, dass man sich am Ort des Geschehens befand und nicht nur von der Ferne oder im Geschichtsunterricht auf diesen historisch so bedeutsamen Ort blickte. Man selbst konnte die Stimmung, die damals herrschte, beinahe greifen und wir alle waren froh über unsere heutigen Freiheiten und unser gemeinsames und einheitliches Deutschland. Einige von uns erzählten, dass ihre Großeltern auch aus der DDR geflüchtet seien und es ihnen erst jetzt bewusstwurde, welches gewaltige Hindernis ihre Großeltern auf dem Weg in die Freiheit überwinden mussten.

Nach dieser sehr nachdenklich stimmenden Erfahrung an der Gedenkstätte hatten wir uns daraufhin um 13:30 Uhr eine Mittagspause redlich verdient. Einige hatten sich vorgenommen bei Curry 36 eine typische und wohl die leckerste Berliner Currywurst zu verspeisen, doch angesichts der fortgeschrittenen Zeit (Schuld war der Sicherheitsmann beim Ministerium), entschieden wir uns einen kleinen Snack bei einem Bäcker oder einer Imbissbude zu ergattern. Einige entschieden sich für ein belegtes Brötchen andere wiederum für Pommes mit ordentlich Ketchup. Hierbei lernten wir die übermäßig zutraulichen andere würden sagen, aggressiven Berliner Großstadttauben kennen. Diese mussten wohl tageweise auf Diät gewesen sein, denn obwohl wir die Brötchen in der Hand hielten, hatten sie keine Scheu uns zu attackieren, um ein Bissen abzubekommen. Hanan hatte sich für zwei große Schokocroissants entschieden. Während sie der gesamten Gruppe etwas anbieten wollte, wurde ihr doch tatsächlich ein ganzes Croissant von den Tauben aus der Hand gerissen. Ein waschechter Berliner belehrte uns wie wir mit den Tauben hier umzugehen haben. Er gab den Tauben sogar freiwillig Körner. Hanans Verlust hielt sie aber nicht davon ab noch am nächsten Kiosk sich ein großes Ü-Ei zu kaufen.

Als nächstes ging es dann zum Kanzleramt. Was dort geschah liebes Tagesbuch, erfährst du beim nächsten Mal.

Julia Fuhrmann und Sönke Tegtmeier

Mittwoch nachmittags:

Liebes Tagebuch,

nach dem Besuch des Bundesgesundheitsministeriums und der Mauergedenkstätte sollten wir uns als nächstes um „Dreiviertel Drei“, also ‪um 14:45 Uhr‬, vor dem Bundeskanzleramt treffen. Bis dahin konnten wir unsere freie Zeit selbstständig nutzen und konnten vorwiegend in kleinen Gruppen Berlin erkunden.

Es wurde ein städtebaulicher Wettbewerb für den Bau des Kanzleramts ausgeschrieben, wobei der Entwurf von Alex Schultes und Charlotte Frank durch ein geradliniges breites Band des Bundes beeindruckte , das die beiden Spreeufer verbindet und so städtebaulich die deutsche und die Berliner Wiedervereinigung symbolisiert.

Um 15:00 Uhr wurden wir zunächst in ein separates Gebäude geführt, wo eine Sicherheitskontrolle durchgeführt wurde. Bevor die Führung durch das Bundeskanzleramt überhaupt stattfinden konnte, wurden unsere Ausweise kontrolliert und wir wurden mithilfe eines Metalldetektors überprüft, damit wir keine unzulässigen Gegenstände mit ins Gebäude bei uns führen.‬

Während der gesamten Führung standen uns zwei Bundespolizisten zur Seite, wodurch uns nochmal bewusst wurde, in welch wichtigen Gebäuden wir uns befanden und welche Schutzmaßnahmen für die Besuche ergriffen werden müssen, damit der Regierungsbetrieb wie gewohnt stattfinden kann und nicht gestört wird.

Zuerst wurde uns ein Film gezeigt, in dem wir sehen konnten, wie genau dieser Regierungsbetrieb stattfindet. Hier wurde auch einiges zur Geschichte des Bundeskanzleramts gezeigt. Es war spannend und auch wirklich sehr beeindruckend, wie genau dieses Gebäude entstanden ist. Es wurde auch erwähnt, dass unsere Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel eine eigene Wohnung im Bundeskanzleramt besitzt, diese jedoch kaum nutzt.

Wir waren erstaunt, dass eine Führung durch diese Gebäude überhaupt möglich ist und waren sehr beeindruckt, wie dieser Gebäudekomplex aufgebaut ist. Die Architekten haben viel mit Quadraten, Dreiecken, Kreisen, Diagonalen und Ellipsen gearbeitet, sodass das Raumgefüge unverwechselbar ist. Uns wurde die Architektur näher gebracht und auch einzelne Kunstwerke mit besonders großer Bedeutung wurden uns gezeigt und erklärt.

Wir gingen auch auf den Balkon des Kanzleramts. Der Ausblick war sehr beeindruckend. Wir konnten unter anderem den Berliner Fernsehturm betrachten und auch den Bundestag von weitem erblicken. Wir wurden in die Galerie der ehemaligen Bundeskanzler und auch zur Ausstellung der verschiedenen Staatsgeschenke geführt. Es war interessant zu sehen, wie viele und welch unterschiedliche Geschenke in den letzten 19 Jahren, in denen der Neubau das Bundeskanzleramts bezogen wurde, gesammelt wurden. Auch den Chef des Bundeskanzleramts, Helge Braun von der CDU, bekamen wir zum Schluss noch zu Gesicht.

Nach diesem Besuch haben wir Berlin weiter erkundet. Wir waren wieder in kleinen Gruppen unterwegs, haben uns den Berliner Fernsehturm genauer angeguckt, ein paar Schnappschüsse an der East Side Gallery gemacht und auch sonst haben wir kleine Fotosessions in Berlin gestartet, um auch Freunden und der Familie zu zeigen, was wir alles erlebt haben. Den restlichen Abend konnten wir selbst gestalten. Wir sollten nur heile wieder zum Hostel zurückkommen, damit wir am nächsten Tag gemeinsam die Lost Places erkunden können.

Saskia Indorf und Lisa Mahlke

Donnerstag vormittags:

Heute ging es mit der Gruppe in die Beelitz-Heilstätten, einem sogenannten „Lost Place“. Aber bevor ich darüber berichte, fange ich lieber erst einmal am Anfang des Tages an. Um 7:00 Uhr morgens klingelten die ersten Wecker. Ein kurzer Blick aus dem Fenster versprach einen angenehmen Ausflug, die Sonne strahlte bereits früh morgens schon. Der Wetterbericht kündigte zusätzlich Temperaturen von bis zu 22 Grad Celsius an. Ziemlich gut für April. Das gemeinsame Frühstück sollte planmäßig um 8:00 Uhr stattfinden, somit hatten wir nun eine Stunde Zeit aufzustehen, uns fertig zu machen und uns für den Tag zu wappnen. Um 8:15 Uhr trafen dann auch die Letzten von uns beim Frühstücksbuffet ein. Der Raum ähnelte stark einem Klassenzimmer, ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Aber wenigstens das Essen war in Ordnung und das ist die Hauptsache. 20 Minuten und 3 Gänge Frühstücksbuffet später trennte sich die Gruppe dann wieder. Der Besuch der Beelitz-Heilstätten war für 11:30 Uhr gebucht, wir hatten vereinbart, dass wir uns um viertel vor 10 wieder beim Hostel treffen und dann gemeinsam mit der Bahn fahren. Uns blieb also noch ein bisschen Zeit zur freien Gestaltung. Manche nutzten diese, um noch einmal bei Edeka in der Friedrichstraße einkaufen zu gehen, andere waren vom Frühstücksbuffet wenig begeistert gewesen und holten dieses deswegen bei Curry 36 oder in der Melek Bäckerei nach. Sönke probierte sein Glück im uppers espresso coffeeshop, kam aber wenig später sichtlich enttäuscht wieder aus dem Geschäft heraus, nachdem er feststellen musste, dass dort tatsächlich nur mit Kaffee gehandelt wurde. Pünktlich um viertel vor 10 trafen wir uns also alle wieder beim Hostel und gingen gemeinsam zur sehr nahe gelegenen U-Bahn-Station Mehringdamm. Von hier aus sollten wir noch etwas über eine Stunde Weg vor uns haben, bevor wir letztendlich bei den Beelitz Heilstätten ankommen würden. Langeweile kam auf der Fahrt auch nicht auf, da bereits bei der zweiten Haltestelle ein stämmiger, etwas ungepflegt wirkender Mann, schätzungsweise Mitte 40, die Bahn betrat. Er setzte sich direkt neben Marie und Anna. Die Luft roch nach einer Mischung aus Schweiß und Alkohol. Es dauerte nicht lange, da begann der gute Herr mit uns Kontakt aufzunehmen. Er hielt es für eine gute Idee, uns über die Weltherrschaft der Echsenmenschen mit Mark Zuckerberg an ihrer Spitze aufzuklären. Er meinte, er würde sich eine Herrschaft der Reptiloiden nicht länger gefallen lassen und er habe auch schon einen Plan, diese Diktatur zu beenden: „Stoßen wir den Zuckerberg doch einfach von der Kante der Erde runter!“. Leider musste er uns zwei weitere Stationen später schon wieder verlassen, da aufgeflogen ist, dass er ohne gültige Fahrkarte unterwegs ist. Beim Verlassen der U-Bahn drehte sich der Mann noch ein letztes Mal zu uns um, damit er uns noch vor den Nachfahren der Rothschilds warnen konnte. Was für ein Held. In den Beelitz-Heilstätten angekommen, nahm uns sofort eine Frau in Empfang, die uns durch das Gelände führen möchte. Es wurde noch kurz eine Anwesenheitskontrolle durchgeführt, danach ging es auch schon direkt los. Es wirkte anfangs etwas unübersichtlich, das Gelände ist viel größer als wir es uns vorgestellt hatten. Die Frau erklärt auch, dass es sich hierbei nicht um eine einfache Klinik handelt, sondern um ein Ensemble von 60 Gebäuden auf einer Gesamtfläche von 200 Hektar, welches zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaut wurde und ursprünglich als Arbeiter- Lungenheilstätte und Sanatorium fungierte. Die Lungenheilstätten bildeten den nördlichen Teil des Ensembles, die Sanatorien für nicht ansteckende Krankheiten den südlichen Teil. Hierbei wurde immer nach Geschlechtern getrennt, westlich lagen die Frauen-Heilstätten und östlich die Männer-Heilstätten. Manche Gebäude wirken alt, verwuchert und heruntergekommen, während andere viel neuer und teilweise sogar noch brauchbar erscheinen. Die Frau erzählte uns, dass im Laufe der Zeit auch immer wieder Umbaumaßnahmen in den Beelitz-Heilstätten stattgefunden haben, und diese zwischenzeitlich auch durch modernere Gebäude ersetzt wurden. Zum Beispiel wurden sie im ersten und zweiten Weltkrieg zum Lazarett und Sanatorium für erkrankte und verwundete Soldaten umfunktioniert. Unter anderem wurden dort auch Adolf Hitler und Karl Neufeld untergebracht. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde das Gelände von der Roten Armee übernommen und diente bis 1994 als das größte Militärhospital der sowjetischen/ russischen Armee im Ausland. Die Frau führt uns auf eine Art dreieckigen Turm, von welchem aus ein Pfad in 23 Metern Höhe errichtet wurde. Dieser macht vom Zustand her glücklicherweise einen stabileren Eindruck als die meisten Gebäude der Beelitz-Heilstätten.

Die Frau versicherte uns, dass dieser auch erst vor wenigen Jahren erbaut wurde. Auf diesem Pfad kann man quasi auf Dachhöhe an den Heilstätten vorbeilaufen. Aus dieser Perspektive kann man noch viel besser sehen, wie sich die Natur mit der Zeit das ganze Gelände zurückholt. Der Pfad wird übrigens „Baumkronenpfad“ genannt und liegt genau neben einem alten, bereits 1945 ausgebranntem Gebäude, dem „Alpenhaus“. Wir gelangten schließlich zu einem Aussichtsturm, welcher sogar in 40 Metern Höhe liegt. Von dort aus kamen wir schließlich in das Alpenhaus, beziehungsweise was davon noch übrig ist. Neben wachsenden Pflanzen und Brandresten findet man in dem Gebäude auch des Öfteren Spuren von Vandalismus. Allgemein haben die Heilstätten einen eher düstereren Ruf. Wie wir erfahren haben, scheinen mehrere Morde auf dem Grundstück stattgefunden zu haben. Tatsächlich gibt es wohl auch den ein oder anderen, der glaubt, dass es auf dem Gelände spukt. Ganz schön gruselig. Nach diesem Rundgang begaben wir uns auch wieder in Richtung Eingang der Beelitz-Heilstätten und verabschiedeten uns vom Personal. Etwa 3 Stunden waren wir in den Heilstätten unterwegs, gegen 14:30 Uhr machten wir uns wieder auf den Weg zur U-Bahn, denn um 17:00 Uhr ist der Besuch einer Plenarsitzung im Bundestag geplant.

Hanan Tafraouti und Béla Schmid

Donnerstag nachmittags:

Nachdem die Tour der Beelitz-Heilstätten beendet wurde, ging es mit dem Zug wieder Richtung Berlin. Die Ankunftszeit wäre eigentlich um kurz vor 16:00 Uhr gewesen, aber aufgrund technischer Schwierigkeiten haben wir mit dem Zug länger in Wilhelmshorst gestanden als geplant. Wir kamen also verspätet am Bahnhof Friedrichstraße an und nach einem kurzen Fußweg kamen wir doch noch rechtzeitig beim Deutschen Bundestag an. Bevor wir das Gebäude betreten durften, erfolgte eine Sicherheitskontrolle. Dabei mussten wir uns kurz ausweisen, durch einen Metalldetektor laufen und unsere Taschen und Jacken röntgen lassen. Nachdem wir für kurze Zeit warten mussten, wurden wir zur Besuchertribüne der Plenarsitzung geführt. Von dort konnten wir der 156. Sitzung der 19. Wahlperiode lauschen. Es wurde gerade um die Beteiligung deutscher Streitkräfte an einer Krisenbewältigungsoperation der EU beraten. Dazu wurden einige Reden gehalten, unter anderem auch vom Bundesminister des Auswärtigen, Heiko Maas. Sehr lange konnten wir nicht bleiben, da um 18:00 Uhr das Gespräch mit Frau Achelwilm geplant war. Wir verließen also die Besuchertribüne und wurden zum nächsten Raum geführt. Da Frau Achelwilm sich ein wenig verspätete, nutze Herr Deselaers die Zeit Grundlegendes zum Thema Bundestag abzufragen: Der Bundestag gehört zur Legislative und wird alle vier Jahre direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt. Zurzeit gehören 709 Bundestagsabgeordnete zum Bundestag. Seit September 2017 ist die in Bremen-Walle wohnende Doris Achelwilm (Die Linke) eine von diesen. Sie nahm sich schließlich die Zeit zunächst einiges zu ihrer Person selbst zu erzählen und dann unsere Fragen zu beantworten. Dabei ging es um allgemeine Abläufe im Bundestag, aber auch um ihren Einsatz für Gleichstellung, Queerpolitik und vieles mehr.

Nach dem Gespräch mit Doris Achelwilm machten wir uns hungrig voller Vorfreude, auf Kosten des Staates zu speisen, auf den Weg in das Besucherrestaurant ins Paul-Löbe-Haus. Das Angebot bestand aus drei Gerichten: 1. Vegetarische Gnocchi-Gemüsepfanne 2. Kumpir mit frischer Salatbeilage und Joghurtdressing, vegetarisch oder auf Wunsch mit Hähnchenstreifen 3. Pasta mit einer Lachs-Sahnesoße mit frischem Dill Gesättigt und gestärkt machten wir uns auf den Weg zu unserem letzten Tagespunkt. Der Besuch der Reichstagskuppel.

Nachdem der Bundestag am 20.06.1991 beschloss, dass der Sitz der deutschen Regierung in Berlin sein soll, wurde 1993 ein Realisierungswettbewerb für den Umbau des Reichstagsgebäudes ausgeschrieben. Am 08.05.1995 ist dem finalen Entwurf des Architekten Norman Foster von den Abgeordneten zugestimmt worden. Sein ursprünglicher und viele weitere Entwürfe hatten keine Glaskuppel vorgesehen. Letztendlich musste Foster nachgeben und entwarf den Plan für die Glaskuppel, die wir heute besuchten. Seit der Fertigstellung des Umbaus im Jahre 1999 trohnt die Glaskuppel auf dem Reichstagsgebäude und steht seither für Transparenz und Offenheit und prägt das Erscheinungsbild des Bundestages.

Der Panoramablick auf Berlin, den wir von der Reichstagskuppel aus hatten, hat für Staunen und Begeisterung gesorgt. Nachdem wir den Ausblick ausgiebig genossen haben und haufenweise Selfies und Gruppenfotos gemacht wurden, machten wir uns auf den Weg in den wohlverdienten Feierabend. Den letzten Abend haben viele in Bars, bei einer Weißweinschorle oder einem Cocktail ausklingen lassen. Andere schlenderten durch die Straßen Berlins um noch weitere Eindrücke zu erhalten, bevor es am nächsten Tag wieder nach Hause ging.

Zoë Mickoleit und Nina Müntinga

Freitag vormittags:

Liebes Tagebuch, es ist Freitag, der 24.04.2020 und damit leider schon der letzte Tag unserer Studienfahrt. Da man nicht mehr so aufgeregt ist wie am ersten Tag, fällt es mir und den anderen Mädels im Zimmer gar nicht so leicht aufzustehen. Zudem zieht dieses Gefühl, dass heute der letzte Tag ist, etwas runter. Nachdem ich mich fertig gemacht habe und auch schon meinen Koffer etwas eingeräumt habe, gab es wie auch die letzten Tage um 8:00 Uhr Frühstück. Ich werde dieses Frühstück auf jeden Fall vermissen, so ein tolles Büffet hätte ich ja gerne jeden Morgen. Während andere erst einmal einen Kaffee brauchen, lässt mich meine große Liebe Rührei immer gut gelaunt in den Tag starten.

Der heutige Programmpunkt war eine Führung durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen. Sie befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen zentralen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Berliner Bezirk Lichtenberg. Anders als erwartet ist die Anstalt nicht völlig abgelegen, sondern umgeben von Läden, Hotels und Wohnhäusern. Um 10:45 Uhr begann die Führung mit Edda Schönherz. Sie war 30 Jahre alt, als sie hier inhaftiert war. Es muss ein unglaublich komisches Gefühl für sie sein, nun an diesem Ort Führungen zu geben. Große Teile der Gebäude und der Einrichtung sind nämlich unversehrt erhalten geblieben. Auf dem Gelände befindet sich ein originalgetreues altes Auto, mit welchem die Leute von Zuhause abgeholt wurden und nicht wussten, wohin es ging. Dieses Auto ist als Lieferwagen getarnt. Auf dem Gelände steht zudem ein Zug, mit welchem die Gefangenen zusammen gepfercht wie in einem Viehtransporter waren und auf die einzelnen Haftanstalten verteilt wurden. Sie erzählt uns, dass sie drei Tage in diesem Zug war. Es wurde ihnen gezeigt, dass sie in den Augen der Stasi nichts wert sind.

Das gruseligste an dem Ganzen ist auch, dass das militärische Gelände, auf welchem sich das Gefängnis befindet, auf keiner Landkarte eingezeichnet war. Es wussten also nicht nur die Inhaftierten nicht wo sie waren, was mit der Familie ist, wie es mit einem weitergeht, sondern auch kein Außenstehender wusste, wo die Inhaftierten hätten sein können. In dem Gebäude sind unendlich lange Flure mit Zellen. Bei der Ankunft musste man sich direkt entkleiden und der Wärter fasste mit einem Gummihandschuh in alle Körperöffnungen, erzählt sie. Wir durften sogar in die Zellen der Inhaftierten und die Tür wurde zugemacht, um das Gefühl einmal wirklich zu erleben, wie es war hier eingesperrt zu sein. Manche machten ihre Späße von wegen, dass ihr Zimmer Zuhause auch nicht größer sei, aber ich bin froh, als die Tür wieder aufging und ich aus der Zelle konnte. Auf diesen circa 8 qm Fläche den ganzen Tag zu sein, da wird man ja verrückt. Es ist beängstigend zu sehen wo Inhaftierte physisch und psychisch gefoltert wurden. In der Isolationshaft ist man so unwissend und man hat viel zu viel Zeit um sich Gedanken zu machen, richtig psychische Folter. Ich drehe ja auch schon durch, wenn ich meine Haarwasch-Tage in meinen Gedanken ausrechne.

In einem anderen Raum standen so eine Art Badewannen, bei denen ich nicht an ein schön warmes und entspanntes Schaumbad gedacht habe. Auch die Großküche haben wir gesehen. Frau Schönherz erzählte uns, dass es zwar ein Haft-Krankenhaus gab, aber man kam dort nur hinein, wenn man den Kopf unter dem Arm trug. Hier in diesem Gefängnis waren als letzter Stand ganze 11.000 Menschen von über 250.000 politischen Häftlingen in der DDR inhaftiert. Um 12:15 Uhr endete die Führung; die Zeit verging wie im Flug, weil ich so gefesselt war von dieser Atmosphäre. Dies war definitiv ein sehr interessanter und eindrucksvoller letzter Einblick in die Geschichte der wohl historienreichsten Stadt in Deutschland.

Anna-Kristin Pfaff

Die Auszubildenden der SV 18-2

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